Still werden, gelassen, ausgeglichen, ohne Angst.
Frei von Bedrohung sein: durch Bomben, Hass, Mord, Hunger, Vergewaltigung, Angst.
Keine Übergriffe auf Leib und Leben erleiden zu müssen, nicht im Dorf daheim und nicht auf der Toilette in der Erstaufnahme.
Sicher fühlt sich mancher beim Überschreiten der Grenze. Wenn eine Tasse Tee gereicht wird. Beim eigenhändigen Schließen der Tür. Wenn das Kind nicht mehr frieren muss und zu essen hat. Wenn das Häschen sich beruhigen kann. Die Notfallreaktion nicht immer wieder aufgerufen wird und der Denker anfangen kann zu ordnen, was passiert ist.
Erst wenn wir uns sicher fühlen, kann der Körper sich entspannen, können wir gut damit umgehen, was aktuell an Stress vorhanden ist. Deshalb werden Symptome oft schlimmer, explodiert jemand genau dann, wenn sich die Situation beruhigt.
Was ist für Sie Sicherheit? Wie viel hat es mit außen zu tun? Was davon spielt sich in Ihrem Inneren ab? Wenn Sie sicher sind, woran merken Sie das? Was tun Sie, um sich im Kontakt mit all den fremden Umgangsweisen, Geräuschen, Gerüchen, den vielen neuen Anforderungen sicher zu fühlen?
Wenn Sie einen Tag Revue passieren lassen, woran bleiben sie hängen? Es sind oft kleine, kurze, aber eindringliche Augenblicke, die uns Kraft und Nahrung geben: ein Händedruck oder Nicken, ein ruhiger konzentrierter Satz, die Präsenz eines anderen Menschen, der nicht in Panik verfällt. Ein Lächeln.
Sicherheit. Was heißt das überhaupt? Versorgung mit dem, was lebensnotwendig ist. Essen, medizinische Versorgung, die Möglichkeit sich zu waschen und seine Kinder zu ernähren. Ein Leben ohne Angst. Eine menschenwürdige Unterkunft, Schutz vor Verfolgung, die Möglichkeit des Zusammenseins mit denen, die einem nahe stehen. Die Einhaltung der Menschenrechte. Es gibt dazu eine Charta der Vereinten Nationen. Weil sie viel zu oft in Vergessenheit gerät, finden Sie sie hier.
Durch die Brille von Traumaentstehung und
Verarbeitungsmöglichkeiten des Körpers betrachtet, sind die äußeren Bedingungen
wichtig für die Entwicklung eines inneren Gefühls von Sicherheit.
Lebensbedrohliche Bedingungen, Krieg, sexualisierte Übergriffe, fehlende Versorgung,
große Enge mit Unbekannten - all das sind Bedingungen, die unseren Körper in
Alarmbereitschaft versetzen, ihn zu Flucht, Kampf oder in die Lähmung zwingen.
Unvorhersehbarkeit sagt dem Körper: Bleib auf der Hut!
Zutreffende Information über das, was passieren wird, Transparenz über das Verfahren und die Aufenthaltsdauer im Heim, all das sind Faktoren, die Entspannung ermöglichen. Das Häschen in uns muss sich beruhigen können, um unserem Willen und Denken zu ermöglichen, nach Alternativen zu suchen, Lösungen zu entwickeln etc. Erst dann findet Traumaverarbeitung statt.
Wir wären nicht Menschen, wenn nicht auch unsere innere Haltung zum Gefühl der Sicherheit beitragen könnte. Sicherheit ist auch ein Gefühl, ein innerer Zustand. Etwas, das ich bewusst herstellen kann, wenn die Bedrohung nicht akut ist. Es ist die Gewissheit, dass dieser Moment der einzige ist, den ich leben kann. Dass ich darin einen Platz und Möglichkeiten habe. Es ist meine Aufgabe, mit diesem Platz verantwortlich umzugehen. Ich kann ein- und ausatmen, bewusst den Kontakt zu mir und dem Boden unter mir halten. Und von da aus beurteilen, was zu tun ist.
Die Erstunterkunft bietet Sicherheit vor Krieg,
Verhungern und Erfrieren auf dem Fluchtweg. Ist sie vor Übergriffen von außen
gesichert? Wie ist es mit Übergriffen im Inneren? Sind Frauen vor Übergriffen durch Männer geschützt? Kinder vor denen überlasteter Erwachsener? Schwächere vor denen Stärkerer? Einzelne vor Gruppen? Kann die Aufteilung großzügiger gewählt, gemeinsam anders gestaltet werden, um Intimitätsbarrieren einhalten zu können und eine Möglichkeit der Abgrenzung der Gruppen und Familien voneinander zu gewährleisten? Gerade in einem fremden Umfeld schafft das Vertraute Sicherheit - und Gegensätze verstärken sich eher, wenn Gemeinsamkeit erzwungen wird.
Für den Körper ist Sicherheit, dass er sich nicht verspannen muss oder ausweichen durch ein Abschalten der Aufmerksamkeit, durch ein Ausblenden all dessen, was um und in ihm passiert. Beobachten Sie Ihren Körper einmal, wenn sie sich geborgen fühlen. Da tritt Entspannung ein und eine Wachheit, in der die Freude nahe ist, die Kontaktaufnahme, die Beschäftigung mit etwas, dass sie gerne tun. Ideen zu haben, Projekte zu entwickeln, etwas Neues anzugehen, das funktioniert nur hier. Sicherheit entsteht dadurch, dass wir vertraute Situationen und Menschen aufsuchen können, dass wir Gewohntes wieder erleben, etwas tun können, das uns Spaß macht und das wir beherrschen.
In Ihrem Arbeitsumfeld könnte das unter anderem heißen:
- wer braucht welchen Raum? (Nicht alle brauchen das selbe)
- wer kann was und wie können wir das nutzen?
- welche Fähigkeiten, welche handwerklichen, künstlerischen, erzählerischen, kommunikativen... Talente hat jemand?
- über welche Regeln/Umgangsformen/religiösen Normen finden sich Menschen zusammen?
- wer braucht verstärkten Schutz?
- wer hat Autorität und wie können Sie die nutzen? Wobei kann Ihnen der Mensch behilflich sein?
- wer kann gut mit Kindern umgehen?
- was gibt es für Umgangsweisen mit Krankheiten, Trauer, Flash-Backs...?
- was fällt Ihnen noch ein?