Sie kennen das vielleicht aus Unfallsituationen oder weil Sie in einer OP beinahe einmal gestorben wären. Es ist ein letzter Trost unseres Körpers, der dann eintritt, wenn der Tod nahe ist. Als ob der Schmerz dann keinen Sinn mehr hätte, wenn sowieso alles gleich vorbei ist.
Wenn das Leben aber weiter geht, will auch der Schmerz verarbeitet sein. Der psychische genauso wie der physische. Er ist ein Teil der Körpererinnerung geworden, wie die Muskeln, die sich im Kampf ums Überleben verkrampft haben, wie das aufgerissene Fleisch, die wundgelaufenen Füße, der ausgerenkte Arm, der vor Kälte schlotternde Körper, die Blasenentzündung, die Atemnot.
Fast alles, was dem Körper über seine Alltagsfunktionen hinaus zugemutet wird, tut weh. Wir vergessen das oft, und wundern uns über Rücken- und Kopfschmerzen, Unterleibsbeschwerden oder Sehnenscheidenentzündung. Und unsere Körper sind nachtragend: was wir einmal erlebt haben, kommt wieder - bis zu dem Punkt, an dem wir uns selbst gut versorgen und uns von den Symptomen verabschieden können.
Sehr unterschiedliche und oft irritierende Schmerzen sind sehr oft Symptome nach Traumatisierungen, wie sie viele flüchtende Menschen haben erleben müssen. Ohren, Geschlecht, Arme, Beine, Füße, Mägen, Bauch und Kopf tun weh. Oft nicht durchgehend, sondern (wie alle Flash-Backs) oft unerwartet und stressbedingt. Alles durcheinander und anscheinend ohne Logik und - ganz sicher! - ohne viel Zusammenhang zum Hier und Jetzt.
Sie sollten darauf hinweisen,
- dass es ein Rest aus dem überstandenen Erleben sein kann, was da weh tut
- es Sinn macht, für sich zu sorgen, mit Wärmflaschen, Tüchern, Arztbesuchen und Heilungsritualen
- der Zusammenhang nicht im Hier und Jetzt liegen muss, die Behandlung aber trotzdem jetzt Sinn macht. Weil eine Versorgung den Körper beruhigt und ihm den Unterschied klar macht: hier ist es gut.
Mit anderen Körpersymptomen
ist es genauso. Schwindel, Übelkeit, Herzrhythmusstörungen, zu schneller
oder zu langsamer Puls, zu hoher oder niedriger
Blutdruck, Verdauungsstörungen,
unempfindliche oder ausgeblendete Teile des Körpers (andere wieder
sind hochsensibel und überempfindlich), Schwierigkeiten mit dem Sehen, Hören, Riechen,
Schmecken, Fühlen. All das und noch viel mehr kann ein Symptom sein, eine Erinnerungsspur des Körpers, ein Hilferuf nach Anerkennung und Versorgung der unverarbeiteten Erfahrungen.
Manchmal tauchen diese Körpersignale aber gerade dann auf, wenn etwas besser geworden ist, die
Aufenthaltserlaubnis gewährt, die Wohnung gefunden, die Familie nachgekommen ist. Dann
kann das ein Zeichen für beginnende Verarbeitung sein und ist kein Grund zur Panik. Gerade dann, wenn Menschen sich entspannen, fordern die unverarbeiteten Erinnerungen, die Erschöpfung und die Schmerzen Raum und Zeit ein. Oder kennen Sie es nicht, dass Sie gerade zu Anfang der Ferien oder am Wochenende krank werden, wenn vorher wieder mal alles zuviel war?